Codierungen im Arbeitszeugnis
Es gibt zwar keine Geheimsprache für Arbeitszeugnisse, denn wie in jedem anderen Berufsfeld auch, gibt es eine nur durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte geprägte Fachsprache. In meiner über 30 jährigen Praxis habe ich auch noch keines dieser besonders gravierenden Beispiele angeblicher Geheimcodes lesen dürfen! Wenn Sie eines finden, dann dürfen Sie mir aber gerne eine Kopie zusenden.
Trotzdem finden sich angeblich in Arbeitszeugnissen vereinzelt aber negative Formulierungen, die in der Literatur häufig als »Geheimcode« bezeichnet werden. Nochmals, zu dieser Codierung gibt es aber nach §109, Absatz 2 der Gewerbeordnung eine klare Aussage, daher sollte man bei der Zeugniserstellung oder -prüfung genau auf Unstimmigkeiten achten:
»Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen. enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.«
Einige Beispiele für Unstimmigkeiten
- In der Einzelbewertung kennzeichnen die ergänzende Beschreibung wie »sehr«, »außerordentlich« in Verbindung mit dem Zeitbezug »immer« oder »stets« in der Regel die Notenstufen 1 oder 2. Fehlen sie vereinzelt an wichtigen Stellen, wird nicht nur die Einzelbewertung sondern auch das Gesamturteil abgesenkt.
- Betonte Selbstverständlichkeiten: Es wird z.B. die perfekte Kleidung eines Außendienstmitarbeiters oder die Leistungen in den Grundrechenarten eines Controllers bestätigt.
- Notwendiges fehlt: Im Zeugnis fehlen wesentliche Bestandteile der Tätigkeitsbeschreibung, Leistungs- oder Führungsbeurteilung. Z.B. fehlen bei der Führungskraft die Ergebnisse der Führungsleistungen, bei der Chefsekretärin fehlt der Hinweis auf das Organisationsvermögen oder die Selbstständigkeit.
- Entwertungen: Kleinigkeiten, die eher am Rande mit der beschriebenen Tätigkeit zu tun haben, werden sehr stark betont.
- Verneintes Gegenteil: Formulierungen wie »...war nicht uninteressiert«, »...waren nicht unbedeutend«.
- Die übliche Reihenfolge wird nicht eingehalten: Werden z.B. bei der Führungsbeurteilung erst die Kollegen genannt und dann die Vorgesetzten, dann deutet das auf Probleme im Verhältnis zu den Vorgesetzten hin.
- Häufig anzutreffen, das Arbeitsverhältnis endet mit einem »krummen Datum«. Dies kann zum Einem auf eine fristlose Kündigung oder einen Vertragsbruch hindeuten, denn üblich ist der 15. oder 30./31. eines Monates, auf der anderen Seite auch nur eine Ungeschicklichkeit sein, weil man z.B. meint, den Resturlaub abziehen zu müssen.
Der (angebliche?) Geheimcode
Die folgenden Textbeispiele finden sich seit Jahren in der einschlägigen Literatur. Sie sind unterschiedlich kritisch zu bewerten. Gelegentlich ist der jeweilige Verfasser wohl nur über das Ziel hinausgeschossen. Die Kenntnis kann aber helfen solche Fehler zu vermeiden.
Text im Zeugnis | Annahme der Bedeutung |
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Fach- und Methodenkompetenz | |
Er verfügt über Fachwissen und hat ein gesundes Selbstvertrauen | Überspielt mit Arroganz sein mangelndes Fachwissen |
Wir bestätigen gerne, dass er mit Fleiß, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit an seine Aufgaben herangegangen ist | Ihm fehlt die fachliche Qualifikation |
Die ihm gemäßen Aufgaben... | Die anspruchslosen Aufgaben... |
Er arbeitete sehr genau und erledigte seine Aufgaben ordnungsgemäß | ... aber uneffektiv und bürokratisch |
Er war mit Interesse bei der Sache | ... aber ohne Erfolg |
Er machte sich mit großem Eifer an die ihm übertragenen Aufgaben | Trotz Fleiß hatte er keinen Erfolg |
Er hatte Gelegenheit, die ihm übertragenen Aufgaben zu erledigen | ... aber es gelang ihm nicht |
Er zeigte Verständnis für seine Arbeit | ... aber er war den Anforderungen nicht gewachsen |
Er erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst und ordnungsgemäß | Er war ein Bürokrat ohne Eigeninitiative |
Sie verstand es, alle Aufgaben mit Erfolg zu delegieren | Sie drückte sich vor der Arbeit |
Er zeichnete sich insbesondere dadurch aus, dass er viele Verbesserungsvorschläge zur Arbeitserleichterung machte | ... die aber nicht umgesetzt werden konnten |
Vorgesetzten und Kollegen war er durch seine aufrichtige und anständige Gesinnung ein angenehmer Mitarbeiter | ... aber es mangelt ihm an Tüchtigkeit |
Er arbeitete sehr nach eigener Planung | ... aber nicht nach der Planung des Arbeitgebers |
Das Produktionsniveau konnte durch ihre Leistung gehalten werden | ... aber sie erreichte das Leistungsniveau nicht |
Sie gab viele Anregungen, die geprüft wurden | ... die aber nicht umgesetzt werden konnten |
Sozial- und Kommunikationskompetenz | |
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Wegen seiner Pünktlichkeit war er stets ein gutes Beispiel | ... aber nicht wegen seiner Leistung |
Sie war tüchtig und in der Lage, ihre Meinung zu vertreten | Sie hat eine hohe Meinung von sich und verträgt keine Kritik |
Bei Kunden war er schnell beliebt | Er machte viele Zugeständnisse, besitzt keine Verhandlungsstärke |
Mit seinen Vorgesetzten ist er gut zurechtgekommen | Ein Mitläufer und Ja-Sager, der sich gut verkaufen kann |
Sie war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen | Eine unangenehme Mitarbeiterin, der es an Kooperationsbereitschaft mangelt |
Im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten zeigte er durchweg eine erfrischende Offenheit | Er war besserwisserrisch |
Ihre umfangreiche Bildung machte sie zu einer gesuchten Gesprächspartnerin | Sie führte lange Privatgespräche |
Seine Auffassungen wusste er intensiv zu vertreten | Er hat ein übersteigertes Selbstbewusstsein |
Seine Standpunkte stellt er in selbstbewusster Art vor | arrogant, anmaßend; besser: Er ist ein selbständige Persönlichkeit, die seinen Standpunkt vertritt, doch stets in angemessener Weise |
Er war kontaktbereit | ... aber nicht kontaktfähig |
Wir lernten sie als umgängliche Kollegin kennen | Sie war unbeliebt |
Fortbildungskompetenz | |
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Ihm wurde die Gelegenheit zu Fortbildungsmaßnahmen geboten | ... die er nicht genutzt hat |
Er war Neuem gegenüber aufgeschlossen | ... aber nicht, um es umzusetzen |
Führungskompetenz | |
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Er war seinen Mitarbeitern jederzeit ein verständnisvoller Vorgesetzter | Er besaß keine Durchsetzungsstärke und wurde nicht respektiert |
Er koordinierte die Arbeit seiner Mitarbeiter und gab klare Anweisungen | Er beschränkte sich auf Anweisen und Delegieren |
Er praktizierte einen kooperativen Führungsstil und war deshalb von seinen Mitarbeitern sehr geschätzt | Er kann sich nicht durchsetzen |
Seine Mitarbeiter schätzten ihn als umgänglichen Vorgesetzten | Er achtete zuwenig auf deren Leistung |
Sie führte mit fester Hand; …führte konsequent; …straff demokratisch | Autoritärer Führungsstil |
Personale Kompetenz | |
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Er ist ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter | Er ist egozentrisch und nörgelt gerne |
Für die Belange der Belegschaft bewies er immer Einfühlungsvermögen | Er suchte sexuelle Kontakte im KollegenInnenkreis |
Für die Belange der Belegschaft bewies er immer umfassendes Einfühlungsvermögen | Er suchte homosexuelle Kontakte im Kollegenkreis |
Er zeigte stets Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb der Firma | Er hat an Streiks teilgenommen |
Er trat engagiert für die Interessen der Kollegen ein | Er war Mitglied des Betriebsrats |
Er trat sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres Unternehmens engagiert für die Interessen der Arbeitnehmer ein | Er war gewerkschaftlich aktiv |
Sie hat alle Aufgaben in ihrem und im Firmeninteresse gelöst | Sie hat Firmeneigentum gestohlen |
Er hat mit seiner geselligen Art zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen | Er hat Alkoholprobleme |
Er stand stets voll (!) hinter uns | Trunksucht |
Schlußformeln | |
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Er scheidet aus, um in einem anderen Unternehmen eine höherwertige Tätigkeit zu übernehmen | ... die wir ihm nicht zutrauten bzw. anbieten wollten. Hinweis: Denn hier fehlt das Bedauern über sein Ausscheiden |
Er schied aus, um sich finanziell zu verbessern | Wir waren nicht bereit, ihm mehr zu bieten |
Er schied im beiderseitigen Einvernehmen aus | Kündigung durch den Arbeitgeber. Hinweis: Eine wirklich einvernehmliche Aufhebung wird umschrieben mit im besten/guten beiderseitigen Einvernehmen |
Wir haben uns einvernehmlich getrennt | Auf Initiative des Arbeitgebers erfolgte Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder Abschluss eines Aufhebungsvertrages |
Unsere besten Wünsche begleiten ihm | Ironie, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat |
Wir wünschen ihm für die Zukunft alles nur erdenklich Gute. | Ironie |
Wir wünschen alles Gute, insbesondere auch Erfolg. | ... den er bei uns nicht hatte |